Wie real ist Virtual Reality?

Oder was Mark Zuckerberg und der Buddhismus miteinander zu tun haben.
Juni 2017

Wie real ist Virtual Reality?

Oder was Mark Zuckerberg und der Buddhismus miteinander zu tun haben.

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Virtual Reality: oder was Mark Zuckerberg und der Buddhismus gemeinsam haben.

2 Milliarden Dollar! Das ist der Preis, den Mark Zuckerberg für Oculus VR letztlich berappen musste. Welche Strategie verfolgt der Internet-Pionier mit der Megainvestition in die erste ausgereifte Virtual Reality-Brille?

In einem Statement zur Übernahme erläutert er, warum VR in Zukunft eine zentrale Rolle in unserem Leben spielen wird:
»Oculus hat die Chance, die sozialste Plattform überhaupt zu werden und die Art und Weise zu verändern, wie wir arbeiten, spielen und kommunizieren. Mobilfunk ist die aktuelle Plattform und wir bereiten uns auch auf die Plattformen von morgen vor.«

Zuckerbergs Ziel ist, zugespitzt formuliert, eine umfassende, digitale Sphäre zu schaffen, die der User nach Möglichkeit gar nicht mehr verlassen muss: Arbeiten, Freundschaften pflegen oder Nachrichtenkonsum finden komplett in der virtuellen Realität statt. Im Extremfall wird alle Realität zur medial vermittelten; die »objektive Wirklichkeit« wird von Informationen überlagert.

Welche Konsequenzen hätte eine solche Immersion in die digitale Welt? Was macht sie mit uns?

Zum Ersten verlagert sich die Wahrnehmung vom »Ding an sich« zu bereits »katalogisierten« Objekten, die mit Informationen angereichert sind. Natürlich, so lehrte uns bereits Immanuel Kant, haben wir noch nie die Dinge an sich wahrgenommen, sondern sie lediglich unter den Vorbedingungen unseres Geistes »erkannt«. Eine objektive Wahrnehmung des Dings-an-sich schloss der Vordenker des Idealismus per se aus.

Viel früher als der Königsberger Philosoph hat dies der Hinduismus formuliert: Alles was wir sehen ist »Maya« – eine Welt der Täuschungen, die den Dingen vor jedem bewussten Denkakt bereits eine Bedeutung beilegen, sie also mit »Informationen« versehen: Alles uns entgegentretende ist immer schon »zu etwas gut«, Teil einer »funktionellen« Welt, unserem Willen unterworfen – eine rein daseiende Welt ist schlechterdings undenkbar.

Wenn man so will, spiegelt die Utopie einer komplett medial vermittelten Welt also die Grundlagen hinduistischen Denkens. »A rose is a rose is a rose«, das berühmte Diktum Gertrude Steins, gilt nicht mehr in dieser Sphäre: Eine Rose ist eben keine Rose mehr, sondern eine Rosa minutifolia der Untergattung Hesperhodos, hauptsächlich vorkommend in Südeuropa etc – die Stoßrichtung sollte klar sein.

Rezipienten werden zu Schaffenden.

Auf der anderen Seite verwandelt sich die lineare Betrachtungsweise der Welt, die der Medienphilosoph Marshall McLuhan auf die Entdeckung der Druckerpresse und beweglicher Lettern zurückführt, in den Augen des virtuellen Menschen in einen Moment glückseliger »Gleichzeitigkeit«. Anstatt Geschichten passiv zu erleben, baut sich der »Master User« der digitalen Sphäre seine eigene jenseits von tradierten Erzählungen.

Die unmittelbare Medienvielfalt und der Charakter des Hyperlinks selbst brechen das bisherige Medienkonsumverhalten auf und befreien den Konsumenten aus dem Korsett der Intention des Autors oder Erstellers – der Mensch im Hyperraum wird selbst zum Schaffenden und erhält seine Autonomie zurück.

Was das mit uns machen wird liegt daher – viel mehr als in herkömmlichen Medien – in unserer eigenen Hand. Die virtuelle Realität ist, wie alle Medien, eine Verlängerung oder Extension unserer selbst: Sie holt das globale Dorf sozusagen vor’s eigene Fenster. Dabei legt sie sich über die Welt, die wir bisher als »real« bezeichnet haben und bereichert sie im besten Fall immens; im schlimmsten Fall beraubt sie uns gerade der Wirklichkeit, die unser eigentliches Leben ausmacht.

Buddhistische Erleuchtung in der virtuellen Realität.

Gerade weil VR in Verbindung mit dem weltweiten Netz so viel Offenheit in der Verwendung zulässt, kommt dem Benutzer große Verantwortung zu. Im besten Fall stellt die Erschaffung und Nutzung künstlicher bzw. angereicherter Realitäten einen echten evolutionären Sprung dar: Der Mensch verlagert sein Gehirn aus seinem Körper und eröffnet so die Möglichkeit von Kommunikation und Interaktion mit anderen auf einem völlig neuen Level – grenzüberschreitend, global und immer im Jetzt.

Paradoxerweise stellen sich auch in der optimistischen Betrachtung von VR Parallelen zum Buddhismus ein: Gleicht nicht der ewig schwebende Jetztzustand des Masterusers ein wenig dem buddhistischen Ziel der Erleuchtung, in der jedes Fragen erlischt?

Im Buddhismus endet die Reise des Suchenden übrigens, wenn er die Ursprungsfrage beziehungsweise die Suche selbst losgelassen hat – erst dann kann sich Erleuchtung einstellen. In unserem Umgang mit virtuell angereicherten Realitäten könnte man dann postulieren, dass wir das Medium erst beherrschen, wenn wir uns der Einsicht Platos bewusst werden: nämlich, dass alles echte Wissen Erinnerung ist. In der Konsequenz wäre VR dann eine revolutionäre Art, unsere Umwelt zu gestalten; um sie jedoch wirklich zu verstehen, müssten wir die Brille absetzen.

Verfasst von Jochen Weiland.

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Der Artikel als Illustration.

Sichern Sie sich die grafische Interpretation dieses Artikels von Janina Röhrig als Download.

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