Kann Digitalisierung extrem werden?

Radikaldigitalisierung als Phänomen unserer Zeit

November 2022

Kann Digitalisierung extrem werden?

Das World Wide Web ist wahrhaftig eine eigene Welt, die oftmals mit den Regeln und Gepflogenheiten der realen Welt kollidiert. Freiheiten existieren viele – doch die Freiheit stößt auch in dieser virtuellen Parallelwelt immer wieder an ihre Grenzen.

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Wir kennen sie alle, manchmal begrüßen wir sie, manchmal hassen wir sie auch: Veränderungen. Sie prägen unser Leben. Sie können uns alleine betreffen, aber auch in ganze Kulturen und Gesellschaften können sie eindringen. Manchmal kommen sie schneller über uns, als uns lieb ist. Manchmal streben wir sie lange an. Ob wir wollen oder nicht, werden wir mit einer neuen Lebensrealität konfrontiert. Wie immer bei Umbrüchen in der Geschichte, gibt es auch hier Gewinner und Verlierer. Die Karten in unserer Berufswelt und Freizeit wurden und werden immer noch gehörig neu gemischt. Wir alle mussten eine Strategie finden, einen Umgang damit, wie wir Krisen beruflich handhaben, wie wir in der Freizeit damit umgehen. Für viele von uns Easy, für andere wiederum aber auch sehr schwierig. Auf einiges mussten wir verzichten, einige selbstverständliche Freiheiten temporär niederlegen. Schneller Wechsel ins Homeoffice, Kontakt zu Kollegen ausschließlich per Email und Webmeeting, keine spontanen Theater-, Konzert- oder Museumsbesuche mehr – alles auf einmal die neue Realität. Es blieb temporär oft nur der Gang in die Natur. Sicherlich erholsam, zur Unterhaltung aber irgendwann auch einseitig. So wurden mehr und mehr Online-Angebote genutzt, unsere Freizeit und Arbeitswelt verlagert sich vor den Bildschirm. Streamingdienste waren die großen Gewinner, der Online-Handel florierte. Verwundert stellte man fest, wie die Palette an Möglichkeiten, was man alles von zuhause aus online machen konnte, sich zusehends vervielfältigte, mehr Anbieter hinzu kamen, mehr Aufgaben digital erledigt werden konnten.

Radikaldigitalisierung?

Das Adjektiv »radikal« besagt, dass etwas »von Grund aus erfolgt«, »ganz und gar« passiert, »vollständig« und »gründlich in der Ausführung« ist. Es verweist aber auch auf Rücksichtslosigkeit und Härte in der Durchführung. Der Begriff ist wohl den Meisten eher im Hinblick auf extreme politische, ideologische und weltanschauliche Richtungen bekannt. Radikaldigitalisierung wiederum bedeutet, dass Digitalisierung in breiten soziale, gesellschaftliche und berufliche Sphären durch- oder eingeführt wird. Es erfasst diese Bereiche bis zur letzten Konsequenz. Es hat auch eine zeitliche Komponente, Radikaldigitalisierung steht dabei für schnelle und pragmatische Lösungen. Es beinhaltet auch die Auseinandersetzung mit Unwägbarkeiten, dem Fremden. Man nimmt bisher Nicht-Gedachtes in den Fokus, sogar das Undenkbare. Die Wohlfühlzone wird verlassen, mag sie noch so verführerisch sein, Trägheit, Starrheit und Saturiertheit werden zu Feindbildern. Man erhofft sich neue Impulse, neue Erfahrungen und Wissen – Innovation. Radikaldigitalisierung erfindet ganze Unternehmen, Branchen und Lebensbereiche neu. Sie lebt von visionären Denker, Entdeckern, Leuten »die sich was trauen«! Gleichzeitig müssen die Maßnahmen der Radikaldigitalisierung aber auch von den Rezipienten angenommen werden, damit sie nachhaltig gelingen können.

Radikaldigitalisierung und Gesellschaft

Die Corona-Pandemie hat unser individuelles und gesellschaftliches Leben erheblich erschüttert, vor allem durch die starken Beschränkungen im zwischenmenschlichen Bereich. Wir alle konnten in der Folge einen Transformationsprozess des gesellschaftlichen Lebens beobachten, der sich rigoros vor unserer Nase abspielte und der sich vor allem auf den Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation auswirkte. Profiteur der Entwicklung war vor allem der Online-Bereich, der vor Corona schon eine viel genutzte Möglichkeit war, nun aber den Vorteil hatte, den potentiell ansteckenden Kontakt zu unseren Mitmenschen durch Austausch auf Distanz zu umgehen. Gleichzeitig kann Online-Kommunikation und Interaktion Beziehungen auch auf Distanz aufrecht erhalten. Kurz: Vor Corona war es aber noch optional, ob ich mit meiner Freundin oder einem Kunden per Chat kommuniziere, während der Pandemie gab es oft keine andere Möglichkeit.

Massenhaft haben wir auch nach Angeboten der Unterhaltung und Bildung gesucht. Gerade letztere hat sich nochmal verbreitet und aufgrund der digitalen Angebote den Vorteil, besonders barrierefrei zu sein. Wir tingelten vermehrt durch das Internet, entdeckten dabei immer wieder Neues, lernten sehr viel an digitaler Kompetenz dazu. Auch unser Bewusstsein im Hinblick auf die Nutzung digitaler Angebote hat dies geprägt: Wir haben diese vermehrt in sehr private Lebensbereiche vordringen gelassen, uns beispielsweise online Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen geholt oder unsere Kinder mit virtuellen Kinderangeboten bespaßt sowie mit Apps unsere sozialen Begegnungen dokumentiert. Dabei hat dieser sehr rigorose Bedarf an Digitalisierung auch ganz besonders den Kulturbereich erfasst.

Ein Beispiel unter vielen: Radikaldigitalisierung in der Kultur

Die Kulturbrache ist sicherlich ein Bereich, der in großen Teilen den Fortschritten der Digitalisierung in vielen Institutionen mehr als hinterher hinkte. Natürlich gab es auch Musterschüler wie das Städel in Frankfurt mit seinen Digitorials. Ob dies an der Finanzierung lag? An dem Fehlen von geeignetem Personal? Der fehlenden Nachfrage? Man war zurückhaltend. Die teilweise recht komplizierte Urheberrechtslage bei künstlerischen Werken tat ihr übriges. Corona schlug in die Branche ein wie eine Bombe. Auf einmal fehlte das geschätzte Publikum vor Ort, obwohl die Konzerte geschrieben, die Veranstaltungen geplant und die Ausstellungen aufgebaut waren. Recht schnell wurde der Branche klar gemacht, dass sie nicht zu den systemrelevanten Bereichen gehörte. Nachdem einige schnell von einer Kulturfeindlichkeit sprachen, wie Alexander Estis in seinem Gastbeitrag »Das Menschlichste am Menschen« vom 07.01.2021 in der Frankfurter Rundschau, haben andere recht schnell nach Lösungen gesucht, wie man dennoch nicht den Kontakt zum Kunden verliert. Nun folgte Spannendes: Nach einem Moment der Irritation und Stagnation setzte in vielen Institutionen Aktionismus ein. Es wurden auf einmal Dinge möglich, die man vorher nicht geahnt hätte, in einer Schnelligkeit, die man so gar nicht kannte. Wer will schon monatelang nichts von sich hören lassen? Mit Streams, Social Media Kampagnen, digitale Ausstellungen, Podcasts und virtuellen Führungen, mit Apps, wurde bereits vor der Krise vorhandenes, auf vielfältigste Weise ergänzt oder erweitert. Diese Angebote professionalisierten sich auch immer mehr, was auch an den nun stark aufkommenden Fortbildungen für die Mitarbeitenden lag.

Schnell gesellten sich bei der Kundschaft neben den klassischen Kulturfetischisten auch »neue Gesichter«. So können Menschen auf der ganzen Welt wie selbstverständlich Theaterstücke bei den Münchner Kammerspielen durch begehbare VR-Installationen selbstwirksam erleben. Oder die digitalen Ausstellungen der Kuratoren der Art Basel besuchen. Die Unverbindlichkeit der digitalen Angebote verführt einfach, etwas Neues auszuprobieren – was kann schon groß passieren? Man muss nirgends hin, muss niemanden treffen, es ist bequem. Auch der Preis stimmt: Einige Angebote sind umsonst, viele billiger als ihr analoges Pendant. Und sagt es einem dann nicht zu, ist man nur einen Klick von einem schnörkellosen Abgang oder vorspulen entfernt. So gesehen, ist der digitale Kunde eigentlich sogar der ehrlichere.

Wo bleiben die zwischenmenschlichen Beziehungen?

Um beim Beispiel Kultur zu bleiben: Natürlich haben Museums-, Konzert- und Theaterbesuche neben dem Entdecken-wollen neuer Inhalte auch für die Konsumenten eine starke soziale Komponente. Wir treffen Freunde, verabreden uns dort mit der Familie oder wollen neue Bekanntschaften machen. Im Digitalen Raum zeigt sich dies vor allem durch unsere starke Nutzung von sozialen Netzwerken. Wir verwenden bis verschwenden einen Großteil unserer Zeit darin, den Content der Anderen zu konsumieren, eigene Inhalte zu erstellen und mit Freunden, Verwandten und Bekannten zu chatten. Die Möglichkeiten der Partizipation sind riesig! Manchmal auch zu riesig. Wir können zu virtuellen Fastnachtsfeiern gehen, im persönlichen Videochat mit dem Arzt unsere Symptome schildern, an die digitale Pinnwand ein Gesuch posten sowie in virtuellen Büros unsere Kollegen im Home-Office besuchen. Was die richtige Kommunikation ausmacht, wird von Menschen sehr unterschiedlich beurteilt, eine pauschale Aussage dazu ist sehr relativ zu beurteilen. Für die viel diskutierte Generation Z ist es beispielsweise völlig normal, Beziehungen auch nur online zu pflegen und sich zu virtuellen Treffen zu verabreden. Museums- oder Theaterbesuche verbinden hier viele eher mit den Ausflugsideen der Eltern. Früh in ihrem Leben mit Anwendungen wie Pokémon Go massenhaft Augmented Reality-Anwendungen erlebt, haben sie erfahren, wie der digitale Raum in unsere analoge Lebenswelt eindrang. Auch kann die räumliche Distanz Hemmungen abbauen und man findet einfacher Gleichgesinnte zu verschiedenen Themen. Und dennoch: Der Mensch vor uns bleibt im Bildschirm. Wir spüren seine Präsenz nur sehr abgeflacht, konzentrieren uns vor allem auf unser Sehen. Es tut uns eben doch manchmal auch gut, sich im Kaffee zu treffen oder einfach auf der Couch miteinander zu sitzen, eine Pizza zusammen zu futtern.

Die Kehrseite der Radikaldigitalisierung

Die große Auswahl an Online-Angeboten kann schnell überfordern. Die fast schon verzweifelte Frage, was man als nächstes tun soll, stellt sich spätestens dann, wenn man wieder einmal das Angebot von Streaming Diensten durch sucht oder die vielen Veranstaltungskalender. Nicht selten lässt man es dann einfach frustriert bleiben – zu groß sind die Möglichkeiten. Manchmal macht man auch etwas, das einem nicht zusagt. Eine falsche Priorisierung ist schnell möglich. Nachhaltige Lösungen sind oft die Zielsetzung der Anbietenden. Wie dieses Ergebnis erreicht werden soll, bleibt nicht selten schwammig. Gerade für schnell umgesetzte, digitale Angebote muss sich auch erst noch eine Nutzerschaft etablieren. Und: Wir alle haben zu lernen! Ständig und immer. Radikaldigitalisierung mit ihrem so umfassenden Ansatz erfordert ein lebenslanges Lernen! Vor allem dann, wenn wir als Mensch freier Gestalter unseres Lebens sein wollen. Wir müssen verstehen, dass sich unsere Lebenswelt immer mehr im digitalen Bereich befindet. Es wird uns stetige Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft abverlangt, denn ohne digitale Kompetenz der Einzelnen kein digitaler Wandel. Schlussendlich müssen wir auch verinnerlichen, dass hier gute Ergebnisse nun mal Entscheidungen, ausgewählte Technik und Anwendungen sowie das Wissen von Experten voraussetzen.

Möglichkeiten radikaler Digitalisierungsprozesse

Radikaldigitalisierung ist Digitalisierung in allen Lebensbereichen, die schnelle und pragmatische Lösungen sucht. Natürlich können wir viele Bereiche in unserem Leben nicht komplett ersetzen, aber wir können diese durch digitale Angebote sinnvoll ergänzen und so neue Zielgruppen finden und binden. Auch können wir unsere Arbeitskultur transformieren, Aufgaben automatisieren. Wir können Mengenbeschränkungen aufheben, genauso wie Ländergrenzen. Nutzen auch Sie die Chancen und Möglichkeiten einer umfassenden Digitalisierung in Ihrem Unternehmen. Wir helfen Ihnen dabei! Als moderne Digitalgruppe wissen wir, wie Sie erfolgreich Digitalisierungsprozesse und -strategien umsetzen, um mit ihren Kunden ins Gespräch zu kommen und ihnen einen Mehrwert zu bieten. Profitieren Sie von unserer Expertise im Digitalen Marketing!Im Zuge dessen muss auch Nordkorea genannt werden. Das gesamte Internet des Landes ist vom Rest der Welt abgeschottet. Der Staat überwacht die wenigen Domains und nur wenige privilegierte Menschen haben die Möglichkeit für Shopping und Banking im Internet. Der freie Zugang zu Informationen oder gar Schutz der eigenen Privatsphäre/Daten im Internet? Nicht in Nordkorea. 

Apropos Datenschutz – es gibt wahrscheinlich nicht viele internetaffine Menschen, die nichts vom kürzlich veröffentlichten Jahresbericht des Tech-Konzerns Meta mitbekommen haben. Da dem Unternehmen in der EU strenge Datenschutzregeln gegenüberstehen, sieht das Unternehmen um Geschäftsführer Mark Zuckerberg seine Finanzergebnisse in Gefahr und droht seine Dienste, wie Facebook & Co. in der Europäischen Union abzuschalten. Dass dies jedoch wirklich geschieht, darf stark bezweifelt werden, wenn man bedenkt, dass der europäische Markt 25 Prozent (2020: 19,1 Mrd. US-Dollar) des Gesamtumsatzes ausmachen. Meta und die EU werden sich auf einen datenschutzkonformen Kompromiss einigen. Wie dieser aussieht, bleibt abzuwarten.

In seinem Kern gibt das Internet jedem Menschen die Möglichkeit jegliche Informationen zu erhalten und zu veröffentlichen. In manchen Ländern der realen Welt stößt diese Freiheit jedoch noch stark an seine Grenzen. Besonders Länder, wie Kasachstan oder Nordkorea zeigen beispielhaft, wie das Internet zur eigenen Machtausübung kontrolliert wird und die freie Meinungsäußerung an seine Grenzen stößt.

Über Andrea Knittel

Die Autorin Andrea Knittel ist Kunsthistorikerin und seit 2019 selbstständig tätig. Nach ihrem Abschuss war sie zunächst als Wissenschaftliche Mitarbeiterin für eine private Stiftung mit Kunstsammlung tätig. Danach wechselte sie in die Unternehmenskommunikation einer Förderbank, wo sie neben einer Stelle in der Pressearbeit auch Kultursponsorings betreute, die Kunstsammlung der Bank sowie eine unselbstständige Künstlerstiftung auflöste. Neben der Tätigkeit als Texterin, ist die Autorin auch als Kuratorin und (digitale) Kunst- und Kulturvermittlerin tätig. Man trifft sie also sowohl im analogen, als auch im digitalen Raum, wo sie unterschiedliche Kundengruppen betreut und mit unterschiedlichen Zugängen für Kunst- und Kulturthemen zu begeistern versucht.

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