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Macht uns Social Media zu Sprach-Barbaren?
Macht uns Social Media zu Sprach-Barbaren?
Macht uns Social Media zu Sprach-Barbaren?
Die Sprache ist ein Spiegel der Gesellschaft. Die Art, wie wir kommunizieren ist ein Indikator dafür, wie offen und tolerant wir als Gemeinschaft sind. In der Sprache zeigt sich unsere Art zu denken, umgekehrt hat die Sprache aber auch Einfluss auf unser Denken. In totalitären Systemen ist die Sprache eine andere als in einer freien Gesellschaft. Wie beeinflussen die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten über das Internet unser Denken? Fördert das die Kommunikation zwischen Menschen oder bringt es vor allem die negativen Seiten ans Licht: Eitelkeit, Hass, Neid, Intoleranz? Die provokante These lautet: Die Sprachentgleisung in sozialen Medien ist das Abbild des Zustandes einer digitalisierten Welt.
Digitale Verwahrlosung.
Vor 20 Jahren gab es noch keine Social Media-Plattformen, auf denen sich jeder auskotzen konnte, wie er gerade lustig war. Natürlich sind Social Media-Kanäle etwas Positives, weil sie Kommunikation erleichtern. Kommunikation ist naturgemäß positiv. Aber die neuen Kommunikationskanäle wurden seit ihrem Entstehen in einem großen Ausmaß missbraucht. Heute kann jeder, der an Sprechdurchfall leidet, in sozialen Netzwerken seinen Bullshit veröffentlichen. Ist das jetzt Demokratie der Sprache oder ist es eine Diktatur der Dummen, der Frustrierten, der Selbstverliebten?
Das Internet – virtueller Stammtisch für jedermann.
Jeder kann sich völlig unverblümt auf Social Media-Plattformen darstellen und überflüssige Informationen absondern. Ungefiltert. Wollen wir wissen, was unsere Facebook-Freunde heute zu Mittag gegessen haben? Wollen wir wissen, welche kruden Gedanken unser Nachbar zur Flüchtlingsproblematik hat? Wir werden an den virtuellen Stammtisch gezwungen. Ob wir wollen oder nicht. Je länger man sich die geistigen Ergüsse einiger Zeitgenossen auf Social Media-Plattformen anschaut, desto mehr bekommt man den Eindruck, dass wir in eine sprachliche Barbarei zurückfallen und automatisch von einer Art Sprach-Tollwut befallen werden.
Zwei Ursachen sind für die sinkenden Hemmschwellen im Internet, für die zunehmenden Sprachentgleisungen auszumachen: Erstens die pure Möglichkeit, dass jeder sich unmittelbar äußern kann, sofern er eine funktionierende Internetverbindung hat. Und zweitens die Anonymität im Internet, die es auch einem Duckmäuser erlaubt, seine Stimme zu erheben und als Troll durchs Internet zu geistern. Jeder, wirklich jeder kann es – und das auch noch unerkannt, wenn er will. Das hat von Natur aus schon etwas Schambesetztes, etwas Zwielichtiges. Während sich Trolle früher ungehört in der Kanalisation aufhielten und man nur ihre Augen aus den Gullydeckeln blitzen sah, kriechen sie heute aus allen Ecken hervor und meinen, der Welt ihre Meinung schenken zu müssen. Mit den Social Media-Kanälen hat der deutsche Kleinbürger, der Kleingeistige, wieder eine Stimme, mit der er die sogenannte »Lügenpresse« übertönen kann. Aus den Mündern dieser Trolle kommt allerdings nichts als heiße Luft – und das auch noch mit schlechtem Atem. Am liebsten würde man den Trollen entgegnen: »Es ist ja schön, dass Sie hier Ihre Meinung hinausblasen, aber sie verpesten die Umwelt mit Ihrem Atem. Es gibt Listerine für frischen Atem. Dann werden vielleicht auch Ihre Aussagen besser!« Denkt man weiter darüber nach, kommt man zu dem Schluss, dass der Klimawandel eine ganz einfache Ursache haben könnte: Es sind die Trolle mit ihrem üblen Atem.
Kommunikation ist Austausch, Sprachentgleisung ist Narzissmus.
Trotz allem: Niemand würde sich ernsthaft in eine Welt ohne Internet zurückwünschen. Die Möglichkeiten der Kommunikation sind einfach viel größer geworden. Und Kommunikation an sich ist großartig. Gefährlich wird es, wenn Leute nicht mehr kommunizieren, nicht mehr in den Dialog gehen, sondern Bomben zünden. Wenn sie sich nur selbst auf offenem Feld in die Luft jagen würden, ohne anderen zu schaden, wäre viel gewonnen. Genauso ist es mit Trollen: Wenn sie sich nur selbst mit ihrem Geschwätz besudeln würden, wäre alles in Ordnung. Man stelle sich vor: ein Internet nur für Trolle. Wunderbar! Dort könnten sie sich den ganzen Tag »from nine to five« ungebremst gegenseitig mobben und dissen. Und der Rest der Welt könnte das Internet dazu nutzen, wozu es da sein sollte: zum Austausch von Ideen. Zur globalen Verständigung. Zur gegenseitigen Erheiterung. Zur Verbesserung der Welt. Kurz: zur grenzenlosen Kommunikation zwischen zivilisierten Leuten. Eine grandiose Vorstellung. Leider entspricht sie in keiner Weise der Realität. Man könnte dieses Internet für Trolle dann übrigens »Trollnet« nennen.
Führt Kommunikationsfreiheit automatisch zu übersteigerter Selbstdarstellung?
Man muss sich fragen, ob uns durch die neuen Kommunikationskanäle die Fähigkeit zum Dialog verlorengeht. Es scheint fast so zu sein: Hat man alle Freiheiten, dann nutzt man sie nicht nur zum Meinungsaustausch, sondern dazu, gegen andere das digitale Maul aufzureißen. Man will sich aufwerten, indem man den anderen abwertet. Ein Austausch, ein Dialog, ist das nicht. Leisetreter, die im wahren Leben nichts zu sagen haben, reißen plötzlich in der digitalen Welt die Klappe auf. Und fast immer in einer stümperhaften Sprache. Das ist ungefähr so, wie wenn man einem Schimpansen eine Hightech-Waffe mit Laserzieloptik an die Hand gibt und er sie dann als Baseballschläger einsetzt. Die Sprache wird von Trollen missbraucht, um dem eigenen Frust Luft zu machen. Aber es ist kein Wunder: Trolle denken nicht nach, sie blubbern dummes Zeug. Wer blubbert, denkt nicht.
Oft ist es kein gezieltes Gemecker, sondern einfach nur Gemecker aus Prinzip, was die digitalen Rumpelstilzchen da veranstalten – Meckern per Schrotflinte. Es wird schon einen treffen, es wird sich schon jemand darüber aufregen. Blöd nur, dass die Leute, die es treffen soll, es meist nicht lesen. Das ganze Gezeter dient also nur dazu, Zustimmung zu erheischen und die eigene Eitelkeit zu befriedigen.
Eine Therapie für Trolle wäre eine Woche Schweigen im Kloster. Ob das etwas bringen würde? Das beste Mittel gegen Trolle ist, sie zu ignorieren. Denn sie sind nicht für vernünftige, zivilisierte Kommunikation empfänglich. Sie sind digitale Rumpelstilzchen, die man nicht ruhigstellen kann. Was sie absondern, ist geistiger Dünnpfiff. Natürlich gibt es Menschen mit Sprechdurchfall auch im realen Leben – dort können sie sich jedoch meist nicht verstecken. Es gehört schon eine große Portion Selbstverliebtheit oder einfach nur Dummheit dazu, sich in der Öffentlichkeit als Troll zu outen. Aber wahrscheinlich hat jeder schon die Erfahrung gemacht, aus dem nichts heraus von jemandem zugetextet zu werden – zum Beispiel von einer fremden Person im Zugabteil, wenn man gerade in Ruhe ein Buch lesen will.
Social Media – die Narzissmus-Maschine.
Die digitalen Möglichkeiten der Kommunikation scheinen wie Verstärker für die negativen Eigenschaften im Menschen zu wirken. Die Selbstverliebtheit und der Hass gegen andere scheinen sich zu potenzieren. Im Grunde ist der innere Antrieb von digitalen Rumpelstilzchen die Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit, die wir alle fühlen und welche die meisten von uns nicht wahrhaben wollen. Ein Ausweg scheint da das Phänomen zu sein, sich öffentlich nackt machen zu wollen. Eine Form des Exhibitionismus. In den 1980er Jahren konnte man das mit dem Aufkommen der Privatsender im Fernsehen schön verfolgen. Es galt die Maxime: Einmal ins Fernsehen, dann bin ich wer. Koste es, was es wolle. Mit dem Entstehen digitaler Kommunikationskanäle hat sich das Ganze noch einmal unfassbar gesteigert. YouTube zum Beispiel bietet geistigen Exhibitionisten eine fantastische Plattform, sich auszuleben. Influencer – der neue Traumberuf für viele Selbstdarsteller – produzieren sich ohne jede Schamgrenze. Und verdienen sich dumm und dämlich dabei. Die Vorstellung, dass man Einfluss hat, lässt den Adrenalinpegel in die Höhe schießen und der gleichzeitig steigende Kontostand beflügelt die Influencer umso mehr in ihrem sinnlosen Tun. Das Wissen um die eigene Bedeutungslosigkeit und die Ahnung vom eigenen Sterben werden davon wirkungsvoll überlagert.
Grundsätzlich neigt man ja dazu, die eigene Bedeutung in der Welt gnadenlos zu überschätzen. Selbst ein Donald Trump wird nach seinem Abtreten oder Ableben bereits zwei Wochen später keinerlei Bedeutung mehr haben. Vielleicht sogar schon zwei Stunden später nicht mehr. Das ist die Realität. So sieht’s aus. Wie tröstend, wenn Otto Normalbürger das Wissen um die eigene Bedeutungslosigkeit für kurze Zeit durch einen Tweet oder ein Posting in einem Forum ausblenden kann – und sei es auch nur im Forum »Mein schönstes Brautkleid« oder im Thread »Der beste Fischköder für Forellen«. Mit einem Posting kann man aus dem Sumpf des Lebens, der uns unweigerlich in die Tiefe zieht, herausschießen und sagen »Hallo, mich gibt es!«, bevor man wieder zurücksinkt bis zum nächsten Posting. Immer wieder windet man sich heraus aus dem Morast, unaufhaltsam sinkt man wieder hinab.
Sicher, man muss nicht alles so schwarzsehen. Zumindest nicht so schwarz, wie Jaron Lanier in seinem Buch »Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst«. Denn es gibt natürlich auch jede Menge Lichtblicke in der digitalen Welt. Die Trolle sind hier zwar am lautesten und fallen deshalb auf – auch durch ihr sprachliches Gestammel –, aber sie sind doch eher eine Randerscheinung, die man ausblenden muss. Ist es doch großartig, welche Möglichkeiten einem die digitalen Plattformen bieten: Man kann in Dialog mit anderen treten, in einen Austausch, oder einfach nur Informationen aufnehmen, an die man sonst niemals gekommen wäre. Man muss es wohl einfach akzeptieren, dass eine kommunikationsstiftende Sache wie das Internet auch kleine Nebenwirkungen hat: so etwas Profanes wie einen Handynacken oder so etwas Nerviges wie Sprachentgleisungen durch digitale Rumpelstilzchen. Was heißt das für die Nutzung von digitalem Marketing?
Verwenden Sie digitale Möglichkeiten, um eine echte Kommunikation mit Kunden aufzubauen. Stellen Sie einen Dialog mit Ihren Kunden her und bleiben Sie im Dialog mit Ihren Kunden. Wir helfen Ihnen dabei. Als moderne Digital-Agentur wissen wir, wie Sie erfolgreich mit Kunden interagieren und wie Sie in digitalen Kommunikationskanälen die neuesten Marketingtools optimal einsetzen. Profitieren Sie von unserer Expertise im Digital Marketing!
Über Rainer Rupp.
Der Autor, Rainer Rupp, studierte Germanistik und Philosophie, bevor er 1995 in den Sog der Werbebranche geriet. Nach Lehr- und Wanderjahren in großen Agenturen ist er seit 2003 freier Texter in Heidelberg. Neben dem Erstellen von Dienstleistungstexten – seinem Brotberuf – begeistert sich der Autor auch für das Verfassen von literarischen Texten. Denn die digitale Welt kann trotz KI und anderem Schnickschnack auf eines nicht verzichten: auf das Gehirn mit seinem unnachahmlichen Neuronenfeuerwerk.